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HERNIEN
Themen
1. Weichteilbruch
Symptome und Diagnose von Hernien
Hernien (Weichteilbrüche) sind angeborene oder erworbene Lücken im Weichgewebe, durch die sich der Inhalt des Bauchraumes einschließlich des Bauchfells durch die eigentliche Bauchwand in das Unterhautgewebe vorwölben können.
Was ist ein Weichteilbruch und wo kommt er vor?
Unter einem Weichteilbruch versteht man eine Vorwölbung im Bereich der Bauchwand. Sie bildet sich in Regionen, die anatomische Schwachstellen in der Bauchwand darstellen. Es gibt deshalb viele verschiedene Arten von Weichteilbrüchen, beispielsweise in der Leiste, am Nabel, am Rand der geraden Bauchmuskulatur oder nach Bauchoperationen im Bereich einer Bauchwandnarbe. Weiterlesen >
Die Vorwölbung wird durch das Austreten von Bauchinhalt verursacht, welcher von einem Bruchsack umschlossen wird und durch eine schwache Stelle in der Bauchmuskulatur, die Bruchlücke, aus dem Bauchraum vor die Bauchwand austritt. Beim Mann findet sich die häufigste Austrittstelle im Bereich der Leiste, in welchem der Samenleiter und die Gefässe, die für die Versorgung des Hodens nötig sind, im inneren Leistenring durch die Bauchwand in den Leistenkanal übertreten. Bei der Frau verläuft an der entsprechenden Stelle das runde Mutterband aus dem Bauchraum in den Leistenkanal und zieht von der Gebärmutter zur Symphyse (Schambein); in seinem Verlauf können ebenfalls Weichteilbrüche auftreten. In einem Bruchsack (Abb.1) können sich Teile von Bauchorganen wie Zipfel des grossen Netzes, des Dick- oder des Dünndarmes befinden. Ohne Behandlung können diese Brüche groteske Grössen annehmen.
Die häufigsten Weichteilbrüche sind die Leistenbrüche, die überwiegend bei Männern auftreten. Diese sollen im Folgenden näher beschrieben werden.
Der Leistenbruch als ein besonders häufiger Weichteilbruch
Der Leistenbruch wird im medizinischen Fachjargon „Inguinalhernie“ genannt (lat. inguina = die Leiste). Wie jeder Weichteilbruch besteht er aus einer Vorwölbung, die ausserhalb der Bauchwand sichtbar sein kann, einem Bruchsack, dem Bruchsackinhalt und einer Bruchlücke. Beim Leistenbruch werden zwei Arten unterschieden, die jedoch erst bei der Operation genau bestimmt werden können: Der häufiger vorkommende „indirekte“ und der seltener auftretende „direkte“ Leistenbruch. Weiterlesen >
Der indirekte Leistenbruch folgt den anatomisch vorgegebenen Lücken in der Leiste, das heisst, er folgt dem Samenstrang, bestehend aus Samenleiter, Hodengefässen und Muskelhülle, tritt aus dem Bauchraum durch den inneren (nicht sichtbaren) Leistenring, folgt dem Leistenkanal und tritt durch den äusseren Leistenring. Sobald er über den äusseren Leistenring hervortritt, wird er sichtbar und tastbar.
Der „direkte“ Leistenbruch wölbt sich direkt durch eine Stelle schwacher Bauchwandmuskulatur hinter dem Leistenkanal hervor und gelangt anschliessend weiter bis an den äusseren Leistenring. Die Unterscheidung ist erst während der Operation möglich. Sie ist deshalb wichtig, weil für beide Arten von Leistenbrüchen ein spezielles operatives Verfahren erforderlich ist. Beschwerdebild und Untersuchungen für beide, das heisst für direkte als auch indirekte Inguinalhernien sind gleich.
Der Leistenbruch ist vor allem ein Leiden des männlichen Geschlechts und betrifft gerne junge, sportliche Männer mit schlankem Körperbau. Auch sind solche Personen betroffen, die sehr stark körperlich arbeiten oder in einem gehobenen Alter sind und ein Prostataleiden haben. Die Ursache der Krankheit ist in einer grossen Druckbelastung im Bauchraum zu suchen. Übergewicht, chronische Verstopfung, eine Schwangerschaft, schwere körperliche Tätigkeit, chronisches Husten bei Rauchern, starkes Pressen bei Prostatavergrösserung wie auch Tumoren des Dickdarms gehören ebenso zu den Kofaktoren.
Ein Leistenbruch kann sich, wenn er einmal aufgetreten ist, nicht zurückbilden. Er wird mit der Zeit grösser und verursacht meist zunehmende Schmerzen. Der Bruchsackinhalt kann in der Bruchlücke einklemmen und zu einer Störung der Blutzufuhr führen. Ohne eine Behandlung verschliessen sich die Gefässe, und das Gewebe kann absterben. Dies macht eine risikobehaftete, notfallmässige Operation notwendig.
Symptome bei einem Leistenbruch
„Ich kann mit Stolz sagen, dass ich ein sehr sportlicher Mann bin. Ich jogge häufig und treibe regelmässig intensiven Sport. In der letzten Zeit habe ich nach dem Lauftraining zunehmend ziehende Schmerzen in meiner rechten Leiste verspürt. Bei Bewegungen oder beim Husten kann sich der Schmerz verstärken. Vor einigen Tagen habe ich unter der Dusche an der Stelle der Schmerzen eine kleine, nussgrosse Schwellung gesehen, die bei Berührung schmerzhaft war. Die Schmerzen ziehen jetzt auch in den Hodensack und an die Innenseite des Oberschenkels. Ich gehe zum Arzt, weil ich nun doch etwas beunruhigt bin.“ Weiterlesen >
Diese Geschichte hat einer unserer Patienten erzählt. Sie ist ganz typisch. In der Regel bemerken die Patienten zuerst ziehende Schmerzen in der Leistengegend, später sehen oder bemerken sie eine neu aufgetretene Vorwölbung. Manchmal bildet sich die Vorwölbung ohne Schmerzen. Sie tritt häufig beim Husten und Lachen, beim Pressen, beim Sport oder beim Tragen von schweren Lasten auf. Im weiteren Verlauf kann es zu zunehmenden Schmerzen bei Alltagsverrichtungen kommen. Gefährdet sind insbesondere Patienten, die beruflich schwere Lasten zu tragen haben oder viel Sport treiben. Die Schwellung kann am Anfang einmal sichtbar sein, später wieder verschwinden. In der Regel wird sie aber immer grösser werden, bis sie als wirklich störend empfunden wird.
Wenn der Bruchinhalt (Zipfel vom grossen Netz, Darm) in der Bruchlücke eingeklemmt wird, kommt es zu starken Dauerschmerzen am Ort der Vorwölbung mit Ausstrahlung in den Hodensack, beziehungsweise in die Schamregion. Neben der Schwellung treten eine eine Rötung und häufig eine Bewegungseinschränkung auf. Die Vorwölbung kann in einigen Fällen (ausnahmslos) vom Arzt zurückgeschoben werden. Ansonsten ist eine Notfalloperation nicht zu umgehen.
Prinzipiell sollte jede abnorme Vorwölbung im Leistenbereich ärztlich untersucht werden. Neben Hernien können auch vergrösserte Lymphknoten oder Gefässveränderungen vorliegen. Solange keine Brucheinklemmung auftritt, besteht kein Anlass zu einer sofortigen Operation. Sollte der Arzt die Diagnose eines Leistenbruchs stellen, kann in der Regel einige Wochen bis zum Eingriff gewartet werden.
Sehr leicht kann eine andere Art des Weichteilbruchs, der so genannte Schenkelbruch, übersehen werden. Er ist selten und wird an der Innenseite des Oberschenkels direkt unterhalb der Leiste vorgefunden. Er tritt durch eine Lücke, die in der unteren Bauchwand offen ist, damit die grosse Beinschlagader und die Beinvene eine Verbindung vom Bein zum Bauchraum haben. Ein Schenkelbruch ist, da eine hohe Einklemmungsgefahr besteht, in jedem Fall einem Arzt vorzustellen.
Diagnose bei einem Leistenbruch
Das Augenmerk der ärztlichen Befragung richtet sich vor allem auf Art, Dauer und Ort der Schmerzen. Es ist wichtig, ob der Patient selber in der Leistengegend eine Vorwölbung gesehen hat oder nicht. Weiter ist es wichtig zu wissen, ob eine chronische Lungenerkrankung mit starkem Husten, Probleme beim Wasserlösen oder eine Neigung zur Verstopfung bestehen. Weiterlesen >
Die Abklärung ist im Allgemeinen einfach und besteht aus einer Inspektion und einer Abtastung der Leistengegend durch den Arzt. Es ist nötig, sowohl im Stehen wie auch im Liegen beide Seiten zu untersuchen. Oft ist der Befund von weitem sichtbar, wenn der Leistenbruch sich bis in den Hodensack vorwölbt. Nur selten werden Zusatzuntersuchungen benötigt. Beim Mann wird der Leistenkanal mit dem Zeigefinger des Arztes untersucht. Ein Teil der Hodensackhaut wird mit der Fingerspitze gegen den Leistenkanal geschoben. Sie kann durch die Haut hindurch den äusseren Leistenring erreichen.
Seine Grösse und Form, sein Durchmesser und die durch die Untersuchung ausgelösten Schmerzen sind dabei entscheidend. Die Vorwölbung des Bruchs, der Bruchsack, kann dabei oft getastet werden. Manchmal tritt der Leistenbruch erst nach Pressen oder Husten auf und oft wird nur seine Spitze getastet, wenn sie beim Husten auf die Fingerspitze aufschlägt. Man spricht dann von einem positiven Hustenanprall. Zu beachten ist, ob beide Hoden gleich gross sind und sich in der richtigen Lage im Hodensack befinden. Weitere technische oder bildgebende Untersuchungen sind im Normalfall bei erfahrenen Chirurgen nicht nötig. Bei Männern über 40 Jahre sollte zusätzlich eine Rektaluntersuchung zum Abtasten einer möglicherweise vergrösserten Prostata vorgenommen werden.
Bei Frauen gibt es keinen äusseren Leistenring. Eine Lücke des inneren Leistenrings ist nicht tastbar, da dieser unter der straffen äusseren Bauchfaszie (breite Bauchsehne) liegt. Unter ihr verläuft vom inneren Leistenring bis zur Symphyse das runde Mutterband. Bei unklarem Befund wird deshalb bei Frauen oft eine Ultraschalluntersuchung der Leistengegend durchgeführt. Der Ultraschall kann die verschiedenen Schichten des Leistenkanals und oft eine Lücke mit Bruchinhalt nachweisen.
2. LEISTENBRUCH-OPERATION
Sanierung von Leisten-Hernien
Notwendigkeit einer Operation
Grundsätzlich sollen heute alle nachgewiesenen Leistenhernien chirurgisch saniert werden. Da sich Weichteilbrüche naturgemäss nicht zurückbilden können, werden sie mit der Zeit grösser. Ist die Diagnose eines Leistenbruchs gesichert und der Patient in einem operablen Zustand, dann ist zweifelsfrei die Anzeige zur Operation gegeben. In Abhängigkeit der Beschwerden kann festgelegt werden, wann eine Operation durchgeführt werden muss. Nur bei Patienten, die in einem nicht operablen Zustand sind oder eine Operation verweigern, sollte ein Bruchband eingesetzt werden. Ein Bruchband ist ein sehr lästiges Hilfsmittel. Es besteht aus einer gepolsterten, elastischen Metallspange, die um die Hüften angelegt wird, und einem kleinen ballförmigen Ledersack, der auf die Bruchlücke drückt. Da Leistenhernien in Vollnarkose, in Rückennarkose oder in Lokalanästhesie für den Patienten bequem operiert werden können, hat das Bruchband heutzutage einzig eine historische Bedeutung.
Operationstechniken
In der modernen Chirurgie werden, je nach Befund, zahlreiche verschiedene Operationsverfahren bei Leistenhernien eingesetzt. Es gibt offene und minimal-invasive Methoden wie auch Verfahren mit und ohne Einlage von Kunststoffnetzen.
Offene Operationen der Hernie
Die zwei wichtigsten offenen Eingriffe sind die Shouldice-Technik (benannt nach dem kanadischen Chirurgen Earle Shouldice) auch Transversalisplastik genannt, wie auch die Technik nach Lichtenstein, bei der ein Netz eingelegt werden muss.
Durch einen schrägen, ca. 6-8cm langen, Schnitt in der Leiste (Abb. 2) werden die Haut und das Unterhautfettgewebe gespalten.
Der äussere Leistenring wird aufgesucht (Abb. 3), die Faszie (Sehne) gespalten und bis zum inneren Leistenring eröffnet.
Sodann wird der Funikel (welcher Hodengefässe, Samenstrang und Muskelhülle umfasst) bis zum inneren Leistenring freipräpariert (Abb. 4) und mit einem gelben Gummiband umschlungen.
Das Leistenband wird sichtbar (Abb. 5) und schimmert weisslich. In diesem Beispiel ist eine „weiche“ Leiste (keine eigentliche Bruchbildung) sichtbar.
Der Funikel wird separat behandelt. Zuerst werden die Kremasterfasern (Muskelmantel um den Samenstrang) freipräpaiert. Ein indirekter Bruchsack wird vom Funikel abgelöst und eröffnet (Abb. 6). An seiner Eintrittstelle in den Bauchraum wird er abgetragen und mit einer Naht verschlossen.
Ein direkter Bruchsack wird nur in den Bauchraum zurückgeschoben. Der wichtigste Schritt besteht darin, die hintere Begrenzungswand des Leistenkanals, die so genannte Transversalisfaszie (ein straffes, flächenförmiges Band, das vor dem Bauchfell liegt) zu spalten (Abb. 7). Mit dem Tupfer wir nun der obere Rand der Transversalisfaszie dargestellt. Hier schimmert sie weisslich und wird mit der Pinzette gehalten. Dieser Faszienteil ist immer gut ausgebildet und gibt der Naht den nötigen Halt für eine feste und dauerhafte Verankerung. Der innere Leistenring muss im Durchmesser klein belassen werden, aber doch so gross, dass die Gefässversorgung zum Hoden nicht beeinträchtigt wird.
Bei Frauen wird gleich vorgegangen, das runde Mutterband aber in die Naht miteinbezogen. Die Transversalisfaszie wird mit einer fortlaufenden Naht beginnend an der Knochenhaut des Schambeins bis zum inneren Leistenring verschlossen (Abb. 8). Die zurückführende Naht fasst dann die Fasern des Leistenbandes mit. Nach Verschluss der äusseren Faszie und des Unterhautfettgewebes wird die Haut verschlossen.
Bei der Operation nach Lichtenstein wird ein kleines, nicht resorbierbares Kunststoffnetz (aus Polyethylen) eingenäht (Abb. 9). Es wird über die Bruchlücke gelegt und am Leistenband und der Bauchmuskulatur so befestigt, dass die Lücke spannungsfrei verschlossen werden kann. Für den Durchtritt des Samenstrangs muss beim Mann eine kleine Öffnung belassen werden. Das Netz schafft eine flächenhafte Vernarbung.
Minimal-invasive Operation des Leistenbruchs
Auch bei diesen Operationen gibt es verschiedene Techniken. Allen gleich ist der minimal-invasive Zugang und das Einbringen eines Kunststoffnetzes. Das von uns eingesetzte Verfahren TAPP beschreibt die transabdominale präperitonale Netzimplantation. Durch einen kleinen Schnitt im Nabelbereich wird ein Röhrchen (Trokar) in den Bauchraum geschoben. Im Folgenden wird die Bauchhöhle mit Gas (Kohlendioxid) gefüllt. Zwei weitere Trokare werden eingebracht (Abb. 10).
Im Rahmen der minimal-invasiven Operationen erfolgt zunächst eine Bauchspiegelung (Laparoskopie) wobei sämtliche der Operationsmethode zugänglichen Organe begutachtet werden. Es werden dann beide Leisten inspiziert (Abb. 11) und entschieden ob die Versorgung einseitig oder beidseitig durchzuführen ist.
In Vorbereitung auf die Netzeinlage wird das Bauchfell (Peritoneum) eröffnet (Abb. 12) und der Bruchsack vollständig freipräpariert. Dabei wird der Samenstrang und die ihn begleitenden Gefässe geschont. Kleinere Blutungen werden sofort gestillt.
Im Anschluss wird ein ca. 10x15cm grosses Kunstoffnetz eingebracht und fixiert. Die Fixation erfolgt mittels Gewebekleber oder sich auflösender Klammern (Abb. 13).
Abschliessend wird das eröffnete Bauchfell (Peritoneum) über dem implantierten Netz verschlossen (Abb. 14). Das Gas wird abgelassen und die drei kleinen Hautschnitte vernäht.
Ist eine offene oder minimal-invasive Operation die richtige für mich?
Diese Frage kann nicht generell beantwortet werden. Chirurgen verfügen heute über eine breite Auswahl an Verfahren für eine Leistenbruch-Operation. Nach den bis heute vorliegenden Studien kann nicht abschliessend deklariert werden, welche der Methoden die Beste ist. Sicher ist aber, dass heute das nötige Verfahren je nach Befund und Patient eingesetzt werden kann. Zudem ist zu berücksichtigen, mit welcher Methode ein Chirurg die grössten Erfahrungen hat. Weiterlesen >
Es gilt als gesichert, dass bei einem Rückfall (Rezidiv) nach einer offenen Operation eine Methode mit Netzeinlage mehr Erfolg verspricht und auch für beidseitige Operationen eher eine minimal-invasive Methode verwendet werden soll. Zudem werden hier deutlich weniger Schmerzen beschrieben, die Mobilisation verläuft dementsprechend schneller. Wir werden Ihnen die Vor- und Nachteile des für ihren Fall geeigneten Operationsverfahrens gerne ausführlich erklären.
Für die offenen Operationen, mit oder ohne Netz, führt man entweder eine lokale Betäubung, eine Rückenmarks- oder eine Allgemeinnarkose durch. Die minimal-invasiven Eingriffe können nur in Allgemeinnarkose operiert werden.
Was geschieht nach der Behandlung?
Die Patienten können bereits am Operationstag aufstehen und etwas Leichtes essen. Zur Schmerzbehandlung werden entsprechende Medikamente und abschwellende Mittel verabreicht. Der Aufenthalt im Spital ist sehr kurz. Einige Patienten lassen sich die Operation ambulant durchführen. Am Tag der Operation kann es in seltenen Fällen, durch die Gaszufuhr im Gewebe, zu einer Schwellung des Hodensackes oder der Schamlippen kommen, welche für wenige Tage besteht und vollständig rückläufig ist. Weiterlesen >
Komplikationen nach diesen Eingriffen sind selten. Wundinfekte und Blutungen können zwar auftreten, sind jedoch gut zu behandeln. Sehr selten treten schwerere Probleme auf: Samenleiter, Hodengefässe oder Nerven können in der Leistengegend verletzt oder durch die natürliche Narbenbildung gereizt werden. Wurden Nerven im Operationsgebiet gequetscht oder durchtrennt, so kann dies zu vorübergehenden Gefühlsstörungen im Bereich des Oberschenkels oder der Leiste führen. Werden die Hodengefässe verletzt, so kann dies zu einer Hodenschrumpfung führen.
Auch können vorübergehende Gefühlsstörungen im Bereich der Wunde und der Haut am Oberschenkel auftreten. Eine Infektion des Netzes oder seine Verschiebung mit Einwachsen gegen den Samenleiter oder gegen die Blase sind extrem selten. Die Gefahr der Ausbildung eines erneuten Bruchs liegt generell bei allen Verfahren bei etwa ein bis vier Prozent.
Auf was muss im zukünftigen Alltag geachtet werden?
Das Tragen von Lasten von über drei Kilogramm ist nach den Operationen während sechs Wochen zu vermeiden. Die Arbeitsunfähigkeit variiert deshalb auch je nach Berufstätigkeit zwischen wenigen Tagen und einigen Wochen. Nach zwei Monaten ist die Heilung vollständig abgeschlossen, und es bestehen keine weiteren Einschränkungen mehr.
Historisches
Bereits im antiken Ägypten waren Weichteilbrüche bekannt. Ein alter Papyrus beschrieb schon vor ungefähr 3’500 Jahren die damals häufig vorgekommenen Weichteilbrüche in der Leiste. Aufgrund der Vorwölbung, die im Laufe der Zeit immer grösser wird, haben die alten Griechen Weichteilbrüche „Hernios“ genannt, das so viel heisst wie „Knospe“. In der Fachsprache wird sie deshalb heute noch als Hernie bezeichnet. Weiterlesen >
Im Altertum konnten Weichteilbrüche nur mit komprimierenden Druckverbänden behandelt werden. Im Mittelalter wurden Leistenbrüche auf den Jahrmärkten von so genannten Bruchschneidern aufgeschnitten. Der Bruchsack wurde dabei entfernt und der Darminhalt wieder in den Bauchraum zurückgeschoben, ohne jegliche Narkose und ohne steriles Arbeiten. Die Resultate bei den bedauernswerten Patienten waren katastrophal. Die meisten starben bereits während der Operation oder innerhalb weniger Tage aufgrund einer Bauchfellentzündung. Bei den wenigen Patienten, welche die Operation überlebten, trat der Bruch erneut auf, da die Bruchpforte in der Leiste nicht verschlossen wurde.
Erst 1890 führte Edoardo Bassini (1844-1924) an der königlichen Universität zu Padua eine Operationstechnik ein, bei der die hintere Wand des Leistenkanals dicht vernäht wurde. Bassini war ab 1883 Ordinarius für pathologische Anatomie und Chirurgie am Universitätsspital von Padua und hatte sich jahrelang mit den damals nicht behandelbaren Leistenbrüchen beschäftigt. 1890 veröffentlichte er im „Archiv für Klinische Chirurgie“ 262 Operationen mit seiner Methode. Die Bassini-Operation war schon damals eine moderne und sichere Methode, die folgend fast 100 Jahren erfolgreich durchgeführt wurde. Diese Technik galt weltweit als Standardeingriff. Erst in den letzten Jahrzehnten wurden Verfeinerungen an dieser Technik vorgenommen und neue Verfahren entwickelt.
Eine sehr erfolgreiche Variante der Bassini-Operation wurde in der Shouldice Klinik in Kanada[1] mit Erfolg eingeführt. Es folgten ganz neue, offene chirurgische Verfahren, bei denen Kunststoffnetze vor die Bruchlücke gemäss der Methode des Chirurgen Lichtenstein eingenäht wurden. Bei den ganz neuen minimal-invasiven Methoden werden diese Netze über die Bauchhöhle, oder hinter die Rumpfmuskulatur und vor dem Bauchraum platziert. So stehen heute eine Vielfalt, offener wie auch minimal-invasiver, chirurgischer Verfahren zur Behandlung der Leistenhernie zur Verfügung.